Brief 5

Liebes Paar,

In unserem heutigen Brief geht es um Versöhnung, einander die Schuld nach-lassen, verzeihen.

Auch wenn wir es nicht wollen, trotzdem kommt es in einer Partnerschaft zu Verletzungen. Sie sind zwei unterschiedliche Persönlichkeiten, die miteinander den Alltag, Beruf, Familie und Freizeit teilen. Da bleiben Reibereien und eben auch Verletzungen nicht aus. Was braucht es, damit Sie wieder aufeinander zugehen können? Was brauchen Sie, dass Sie sich versöhnen – dem anderen und sich selbst die Verletzung nach-lassen können?

„Du hast mich so verletzt.“ – „Das stimmt doch gar nicht!“

„Ich fühle mich so verletzt durch deine Worte!“ – „Oh, das wollte ich nicht, das tut mir leid!“

Nur ein kleiner Unterschied in der Formulierung kann eine andere Antwort hervorrufen.

„Ich fühle mich verletzt…“ – mit dieser Formulierung kommt zum Ausdruck, dass ich nicht hilflos einem Angriff ausgeliefert war, sondern dass ich Verantwortung für meine Gefühle übernehme. Ich fühle mich verletzt. Jemand anders wäre das möglicherweise nicht. Aber ich schon – ich mit meiner Persönlichkeit, mit meiner Geschichte aufgrund meiner Herkunftsfamilie… Ich, deine Partnerin/dein Partner.

Auf den Satz „Ich fühle mich so verletzt“ passt die Antwort „Das stimmt doch gar nicht“ nicht mehr. Denn meine Gefühle sind meine Gefühle, die stimmen. Und so kann das Gespräch einen anderen Verlauf nehmen „Oh, das wollte ich nicht…“. Genau, verletzen wollte Ihre Partnerin/Ihr Partner nicht, sondern etwas mitteilen. Das war die Absicht. Die Wirkung war aber, leider, eine ganz andere. Und die tut ihr/ihm leid.

Vergeben braucht verstehen

Für Sie beide ist es wichtig zu verstehen, wodurch die Verletzung entstand. Welches Wort, welche Handlung, welche Mimik oder Gestik verletzt? Denn derjenige, der verletzt wurde, braucht Verständnis und Mitgefühl für sich und seine Wut. Und der/die „Verletzende“ braucht die Anerkennung, dass dies nicht Absicht war, sowie ggf. Verständnis für seine/ihre Empörung, dass eine böse Absicht unterstellt wird.

So kann der Teufelskreis aus Vorwurf und Verteidigung durchbrochen werden und Sie können sich versöhnen. Manchmal schwierig. Manchmal fast unmöglich bei Verletzungen wie Lügen oder Seitensprung …. Und dennoch gelingt es Paaren. Es scheint zu glücken, wenn beide sich entscheiden, alte Verhaltensweisen loszulassen: Sich entscheiden, sich selbst und die andere/den anderen nicht durch Vorwürfe und Misstrauen festzuschreiben auf eine ganz bestimmte Handlungsweise, sondern um Verständnis und Versöhnung zu kämpfen. Es kann gut tun, mit seiner Verzweiflung, Wut und Hilflosigkeit in diesem schweren Prozess darauf zu vertrauen, dass Gott diesen Weg mitgeht. Wenn nichts mehr zu gehen scheint, vielleicht kann Gottes Liebe etwas in Bewegung setzen in Ihnen und in Ihrer Partnerin/Ihrem Partner.

Welche Befreiung es sein kann, wenn Versöhnung gelingt, wird in dem Satz von Corrie ten Boom spürbar „Wenn wir jemandem vergeben, befreien wir einen Gefangenen, und wir entdecken, dass wir der Gefangene waren!“ Denn: Nicht vergeben zu bekommen, ist schrecklich. Nicht vergeben zu können auch: In einem Gedankenkarussell aus Verletzung, Vorwurf und Misstrauen aber gefangen zu bleiben, lässt einen Menschen verbittern. Die/der Verletzende wie die/der Vergebende brauchen die Vergebung, um Frieden zu finden.

Eva Scharr

Impulse

  • Kennen Sie die wunden Punkte Ihrer Partnerin/Ihres Partners? Überlegen Sie einmal, was im anderen vorgeht.
  • Was brauchen Sie, wenn Sie verletzt worden sind? In Ruhe gelassen werden? Ganz viel Nähe? Wie lässt sich ein guter Umgang herausfinden, falls Sie sehr gegensätzliche Bedürfnisse haben? Vielleicht ist es hilfreich, ein Zeichen, z.B. einen Satz, ein Bild zu vereinbaren, dass der einen Person die Erlaubnis gibt, sich für eine kurze Zeit zurückzuziehen, der anderen zu verstehen gibt: Ich brauche nur etwas Zeit für mich, du bist mir nicht gleichgültig.
  • Vermeiden Sie einen „Tunnelblick“: Sagen Sie sich auch, was Ihnen gut tut am anderen!
  • „Wenn wir jemandem vergeben, befreien wir einen Gefangenen, und wir entdecken, dass wir der Gefangene waren!“ Welche Gedanken kommen Ihnen zu diesem Satz von Corrie ten Boom (aus „Die Zuflucht“)?

Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander…

(Eph 4,32)

"Goldene Spur"

Es ist ein vergoldeter Neuanfang. „Kintsugi“ stammt aus Japan und heißt „Goldreparatur“. Wenn eine wertvolle Keramikschale in Scherben zerbricht, wird sie wieder zusammengefügt. Nicht ohne sichtbare Risse, das wäre ja unmöglich. Aber: Die Bruchstellen werden nicht nur mit besonderem Kitt und Lack geflickt, sondern auch mit Goldstaub. So wirken die Brüche besonders kostbar, das ganze Gefäß ist neu und anders, es glänzt sogar. Jede wiederhergestellte Schale zeigt: Ich bin gebrochen, an verschiedenen Stellen. Ich habe vieles überstanden. Es hat Mühe und Zeit gekostet, wieder ganz zu werden, wieder neu gefüllt werden zu können. Aber genau das macht mich einzigartig.“

Iris Macke, aus: Der Andere Advent 2017/2018, Verein Andere Zeiten Hamburg, www.anderezeiten.de

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